TIERWOHL
Endlich frei! Das neue Leben geretteter Tiere
Tiere schützen, retten, achten
Tierschutz leistet schon jeder, der sich pflanzenbasiert ernährt. Viele wählen ein Leben ohne tierische Produkte, weil sie die ungerechte Behandlung unserer tierischen Mitbewohner auf diesem Planeten und die Zustände in der Tieraufzucht, besonders in der Massentierhaltung, ablehnen. Diesen Weg konsequent weiterzugehen und sich aktiv für Tiere in Not zu engagieren, ist die selbstbestimmte Aufgabe von Menschen auf Lebens- und Gnadenhöfen. Wir haben uns mit dem Thema Lebenshof einmal etwas genauer beschäftigt und für dich ein paar ganz unterschiedlich Eindrücke gesammelt.
Tierschutz in Europa – Licht und Schatten
Tierschutz hat eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Doch obwohl auch Fortschritte erzielt wurden, gibt es immer noch viele Bereiche, in denen Tiere unter unwürdigen Bedingungen gehalten werden. Massentierhaltung, illegale Tiertransporte und skrupelloser Wildtierhandel sind nur einige der Herausforderungen, die der Tierschutz in Europa heute bewältigen muss. Doch gerade inmitten dieser Schwierigkeiten erheben sich die Lebens- und Gnadenhöfe als wundervolle Gegenbeispiele zu diesen Ungerechtigkeiten und als echte Hoffnungsbringer.
Denn diese mutmachenden Zufluchtsstätten bieten Tieren, die einst unsägliches Leid erfahren haben, endlich Frieden, Schutz und die Möglichkeit, ein Leben in Würde zu führen. Von liebevollen Betreuer:innen umsorgt können sie doch noch die Freuden eines sorglosen Daseins kennenlernen. Streicheleinheiten, Auslauf, warme Bäder und eine Fülle von Spielmöglichkeiten gehören zum Alltag. Eben all das, was ihnen zuvor verwehrt war.
Wie gut, dass es Lebenshöfe gibt!
Die Lebens- und Gnadenhöfe sind jedoch nicht nur Rettungsinseln für Tiere, sondern auch Quellen der Inspiration und des Wandels. Durch Führungen, Informationsveranstaltungen und pädagogische Programme ermöglichen sie es allen, die zu Besuch kommen, in eine Welt des Mitgefühls und des Respekts einzutauchen und zu lernen, wie sie selbst einen positiven Beitrag leisten können.
Europa, geprägt von seiner kulturellen Vielfalt, bietet eine breite Palette an Lebens- und Gnadenhöfen. Von den nordischen Gefilden Schwedens bis zu den Küsten Spaniens gibt es eine bunte Mischung von Höfen, die sich oft auf bestimmte Tierarten spezialisiert haben. Trotz ihrer Unterschiede eint sie alle die Liebe zu den Tieren. Die Menschen, die dort arbeiten, beweisen tagtäglich ihre Hingabe und Einsatzbereitschaft und verwirklichen das Ziel, vielen Tieren ein besseres Leben zu ermöglichen.
So sind die Lebens- und Gnadenhöfe wie Sterne in einer manchmal düsteren Welt. Sie zeigen uns, dass Empathie und Fürsorge die Macht haben, Wunden zu heilen und eine nachhaltige Verbindung zu unseren tierischen Mitgeschöpfen aufzubauen. Sie erinnern uns daran, dass jedes Lebewesen ein Recht auf Würde und Glück hat und dass es nie zu spät ist, etwas zu ändern.
Zahlen, die Hoffnung machen
Hier sind einige Kennzahlen über Lebens- und Gnadenhöfe in Europa:
- Über 500 Lebens- und Gnadenhöfe in ganz Europa bieten Tieren ein sicheres Zuhause und eine zweite Chance auf ein glückliches Leben (Quelle: European Federation of Animal Sanctuaries).
- Mehr als 50.000 gerettete Tiere finden auf diesen Höfen Zuflucht, darunter Kühe, Schweine, Hühner, Pferde und viele andere (Quelle: World Animal Protection).
- Durch Aufklärungskampagnen und Bildungsprogramme erreichen Lebens- und Gnadenhöfe jährlich über 2 Millionen Menschen, um das Bewusstsein für Tierschutz und ethische Entscheidungen zu stärken (Quelle: The Brooke).
- Die nachhaltige und tierfreundliche Bewirtschaftung von über 10.000 Hektar Land auf Lebens- und Gnadenhöfen trägt zur Erhaltung der Biodiversität und des natürlichen Ökosystems bei (Quelle: Farm Animal Sanctuary Network).
Land für Tiere
Zwischen Hamburg und Berlin liegt das Land der Tiere. Hier ist der Name Programm. Auf 14 Hektar Land wird alles darangesetzt, Tieren ein möglichst natürliches Leben zu bieten. Die vegane Community kümmert sich mit viel Leidenschaft und Überzeugung um Hanna, Felix, zwei der munteren Schweine, Helge den Langschläfer, Familie Hasenbein, Familie Ostermann und die vielen anderen Bewohner dieses ehemaligen NVA-Geländes.
Allein die 10 Schweine leben auf 25.000 Quadratmetern. Alle Tiere haben den größtmöglichen Auslauf, wie Eddie und Lilli, die kleinen Minischweine, die sich frei auf dem Gelände bewegen. Sie laufen an einem kleinen Käfig vorbei, der aus der Schweinehaltung stammt. Tanja, eine der tatkräftigen Mitarbeiterinnen am Hof, guckt auf den Käfig und beschreibt, wie eine Sau hier drin lag, getrennt von ihren Ferkeln. Nicht in der Lage sich richtig zu bewegen. Ein Schicksal, das heute noch immer verbreitet ist.
Auch Tanja ist hier angekommen. Sie hat einen Bürojob aufgegeben und im Land der Tiere berufliche Erfüllung gefunden. Sie sagt, sie habe hier das erste Mal erlebt, aus dem Urlaub zurückzukommen zu wollen. Zurück zu den Tieren und der veganen Bubble, wie sie mit einem Schmunzeln hinzufügt.
Tanja zeigt gerne, was ihr gewähltes Zuhause unermüdlich tut und wofür sie hier alle eintreten. Sie geht dabei an alten Bunkergebäuden aus NVA-Zeiten vorbei und langsam wird die Weite und der reichliche Platz für die verschiedenen Tiere deutlich. Aus dem alten Militärstützpunkt ist ein Ort des Lebens entstanden, wo Tiere einfach Tiere sein dürfen.
Doch noch Schwein gehabt
Viel ist heute nicht los bei den Schweinen, im Grunde gar nichts. Es ist Mittagspause. Alle Borstentiere halten ein Nickerchen und das ist gut so. Verschlafen stapft Felix langsam aus dem offenen Stall heraus. Er prüft, ob es vielleicht einen Snack geben könnte. Nach einer kurzen Begrüßung geht der Herr dann aber doch lieber in Richtung Sule. Felix und seine beiden Brüder sind bei einem Unfall eines Viehtransporters erst mit dem Schrecken und dann mit Glück davongekommen. Der Rest der Gang hält weiter Mittagsschlaf.
Bei den Schafen herrscht auch noch ein wenig Mittagsflaute. Fast alle haben sich in den Schatten eines offenen Bunkers gelegt. Tanja ruft nach einem blinden Schaf, welches etwas abseitssteht. Keine Reaktion. Tanja ruft nochmals und wieder passiert nichts. Dann lockt ein anderes Tier aus der Herde, und schnell ist der Anschluss wieder hergestellt. Hier ist immer jemand zur Stelle.
Gefiederte Freunde
Bei den Hühnern läuft Musik. Es geht nicht jede Musik, lernt man. Die Musik dient zum Schutz vor Greifvögeln. Wir erfahren, dass die Hühner Musik aber auch einfach mögen. Wieder nimmt man schnell die Friedlichkeit wahr, die von diesem Ort ausgeht.
Noch deutlicher wird dies bei den drei Puten, die uns glucksend in ihrem Reich neben den Kaninchen begrüßen. Die drei Elterntiere sind erst ein paar Wochen aus der Quarantäne. Die Ausbeutung hat viele Narben hinterlassen und an vielen Stellen wachsen das erste Mal in ihrem Putenleben Federn nach. Obwohl sie den Himmel erst vor kurzer Zeit erblickt haben, zuvor eingesperrt waren, Schmerzen und Stress ertrugen, sind sie neugierige, Nähe bedürftige Geschöpfe. Sie haben Vertrauen, das uns erstaunt. Direkt neben uns Besuchern schließen sie zufrieden die Augen und dösen oder sie fordern liebevoll Streicheleinheiten ein.
Aufklären und damit verändern
„Wir wollen hier nicht mit dem Zeigefinger belehren. Wir wollen informieren und erleben lassen“, sagt Tanja. Auf dem Land der Tiere ist Aufklärung genauso wichtig wie die Arbeit mit den Tieren selbst. „Am besten wäre es, es bräuchte uns nicht.“ Doch bis dahin sei es noch ein langer Weg und deswegen sei die Öffentlichkeitsarbeit so wichtig.
Dass hier alle vegan leben ist einfach die logische Konsequenz aus den Zuständen, die die industrielle Tierhaltung mit sich bringt. Erkenntnisse wie diese weiter zu verbreiten und auf das vermeidbare Leid hinzuweisen, stellt die Absicht der Stiftung dar, die das Land der Tiere aufgebaut hat. Das ist auch die Motivation der vielen Helfer:innen, die aus Überzeugung im Land der Tiere leben und arbeiten.
Wer sich selbst auf einem Besuch einen Einblick in die Arbeit im Land der Tiere verschaffen möchte, sollte vorher die Öffnungszeiten abklären, da diese die Ruhezeiten der Tiere respektieren.
Die Idee von Kukus Garden
Wie viel Aufwand und Mut es braucht, um sich ein Leben für Tiere aufzubauen, zeigen zwei junge Menschen aus Köln mit ihrer Katze Kuku.
Nina und Stevo haben ihre Ersparnisse genommen und sich in Portugal ein abgelegenes Stück Land gekauft. Ziel: ein Leben mit Tieren und im Einklang mit der Natur. Ohne Sprachkenntnisse und mit wenig Ahnung vom Leben auf dem Lande, noch dazu im Ausland, ist das Pärchen seit September 2022 dabei, „den gemeinsamen Traum umzusetzen: Kukus Garden.“
Das alte Haus musste grundsaniert werden. Wasser gab es nur aus dem Brunnen und für Strom musste erst eine Solaranlage gebaut werden. Die mitgebrachten Setzlinge für den Garten wollten erst nicht recht. Doch einheimische Verstärkung half den beiden Veganern dabei, etwas Gesundes auf den Teller zu bekommen.
Mit den ersten Kontakten zur Nachbarschaft trafen auch schnell die ersten Tiere ein. In Portugal, wie in vielen anderen südlichen Ländern, sind veganes Leben und Tierschutz auf dem Land noch eher selten und ungewöhnlich. Nina und Stevo versuchen aufzuklären, auch über die Gründe, die sie zu einem veganen Leben bewogen haben. Mit ihrer freundlichen Art haben sie keine Berührungsängste und bringen Menschen zum Nachdenken.
So werden jetzt die Hunde des Nachbarn regelmäßig ausgeführt und dadurch von den alltäglichen Ketten befreit. Bei regelmäßigen Besuchen erhalten inzwischen sogar die abgegebenen Schweine kleine mitgebrachte Leckereien, ein Vorgehen, das noch zu Beginn unvorstellbar für den portugiesischen Schweinebauern gewesen wäre. Allein durch Information und das Miterleben des für ihn fremde, aber im Grunde überaus natürliche, Verhalten der Schweine entstand ein Umdenken bei diesem Bauern. Er war es nicht gewöhnt, dass ihn die kleinen Hängebauchschweine begrüßen und auf ihre Namen hören. Es ist ein Anfang. Ein erfreulicher.
Das alles kostet sehr viel Geld. Nina und Stevo müssen auf vieles verzichten ¬– warum und wofür wissen sie dabei genau. Sie und ihre 30 tierischen Mitbewohner verwirklichen weiter miteinander den Traum von Freiheit und Einklang.
10 Jahre Pferdeklappe
Am ersten Juli dieses Jahres feiert die Pferdeklappe in Norderbrarup ihr 10-jähriges Bestehen. Aus Überzeugung und Mitgefühl hat hier die Gründerin Petra Teegen etwas Einzigartiges in Deutschland geschaffen: Pferde und Ponys finden hier unbürokratisch ein neues Zuhause. Die erste Pferdeklappe e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, Tieren zu helfen, die in Not geraten sind. Zu oft gibt es Pferde und Ponys, die in dunklen, kleinen Räumen teilweise ohne Kontakt zu Artgenossen gehalten werden.
Die Pferdeklappe ist für sie der Zufluchtsort geworden, an dem sie gesund werden können und auf ein neues Leben hoffen dürfen. Auch wenn die Tiere teilweise in erbärmlichen Zuständen kommen, Petra Teegen bricht nicht den Stab über die ehemaligen Eigentümer:innen. Bei ihr ist Helfen um des Helfens willen angesagt!
Nach medizinischem Check des Tieres wird ein neues, dauerhaftes Zuhause für es gefunden und die neuen Besitzer:innen streng kontrolliert. Die Ansprüche sind dabei sehr hoch, um diesen freiheitsliebenden Tieren ein glückliches Leben zu bereiten. Bei 2000 Pferden in den letzten zehn Jahren hat sich dank Petras Einsatz ein Happy End ergeben, wo es vorher nach Schlachtung aussah.
Aufklären, Aufklären und Aufklären
In all unseren Gesprächen über das Thema Lebenshöfe stellt sich immer die gleiche Erkenntnis heraus: am besten wäre es, wenn es sie nicht bräuchte, die Lebenshöfe und Gnadenhöfe. Diese Orte des „wieder alles gut“. Es wäre gut, wenn es keine Tiere gäbe, die weit ab von einem natürlichen Sein vor sich hinvegetieren und noch nie den Himmel gesehen haben – ja, natürlich. Nur leben wir noch lange nicht in einer solchen Welt.
Und so lange werden die Lebenshöfe gebraucht, als Plätze für Tierwohl und als Plätze der Aufklärung, wo Menschen lernen können, dass Tiere Gefühle haben, sie körperlich und seelisch verletzbar sind, genau wie wir. Wo über die Ressourcenverschwendung der Futterindustrie aufgeklärt wird. Wo wir uns Gedanken über ein besseres Leben im Einklang mit der Natur machen können. Und wo wir die Freundschaft zu Tieren in Freiheit oder artgerechter Umgebung erleben können. Brauchen wir nicht alle diese Orte?