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TIERWOHL

Ungewöhnliche Freundschaften

Eines der schönsten Dinge, die die Natur hervorgebracht hat, ist die Freundschaft

Mit guten Freunden geht man durch Dick und Dünn. Mit wahren Freunden kann man Pferde stehlen. Wahre Freunde sind fürs Leben. Freundschaft kann so viele Facetten haben und es ist immer wieder erstaunlich, wie und wo sich Freunde finden. Hier ist ein kleines Beispiel dafür, dass sich Freundschaft auch nicht auf eine Spezies oder gar auf den Menschen beschränkt. Gans im Gegenteil.

„Gans und Hochland Bulle 10 Jahre zusammen“

so lautete die Überschrift eines Artikels des Gisborne Herald. Die kleine, regionale Tageszeitung aus Neuseeland schrieb: „Das seltsamste Paar von Gisborne feiert diesen Monat sein 10-jähriges Bestehen. Die Freundschaft zwischen einem Hochlandrind und einer Haus-Gans wurde im Januar 2001 auf den Koppeln der Knapdale Eco Lodge (…) geschlossen.“  

Freundschaft bezeichnet ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis zueinander, welches sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet. Ist diese Definition auch auf Tiere übertragbar? Warum sollte dies nur für Menschen gelten?

Ganz offensichtlich scheint bei der Gans und dem Hochland Rinderbullen namens „Hamish“ genau dies der Fall zu sein. Das ungleiche Paar ist unzertrennlich. 

Der Eigentümer und „Chefgärtner“ der Farm, Kees Weytmans, erzählt in dem Artikel des Gisborne Herald, dass sich alle Tiere der Lodge auf demselben Gelände befanden haben – Gänse, Hochlandrinder, 10 Emus, ein Schwein, 10 Rehe und weitere Tiere. „Eines Nachts gab es einen heftigen Kampf, bei dem der Partner der Gans getötet wurde. Es dauerte ein paar Tage, bis die Gans wieder auf die Beine kam. Zwei Wochen nach dem Tod ihres Artgenossen wurde Hamish geboren. Ich kann mich genau daran erinnern, dass die Gans schon sehr bald zwischen den Beinen des Kalbs lag, und seitdem sind die beiden enge Freunde.“

Die Gans ist von diesem Moment an bis heute der ständige Begleiter des inzwischen sehr ausgewachsenen und vor Kraft strotzenden Bullen. „Sie hängen einfach den ganzen Tag zusammen rum. Die Gans hält normalerweise die anderen Tiere von Hamish fern – sie ist sehr eifersüchtig.“, erzählt Weytmans.

Gänse gehören zu den Vögeln, die eine lebenslange Bindung eingehen. Aber es gibt wohl wenig Gänse, die sich für ein Leben mit einem langhornigen Hochlandrind entscheiden. 

Diese kleine Geschichte aus Neuseeland ist nur ein Beispiel dafür, dass sich Tiere untereinander emotional binden können und soziale Kontakte für sie eine große Rolle spielen, auch über die eigene Spezies hinaus. So viele Geschöpfe können zu Menschen, aber eben auch zu anderen Tieren der gleichen und anderer Arten tiefe Verbindungen entwickeln. Diese Erkenntnis steht einer anderen Betrachtung gegenüber, die leider lange den Umgang mit unseren Mitgeschöpfen geprägt hat und es bis heute noch tut. 

Besonders Nutztieren wurden viele emotionale und soziale Eigenschaften lange Zeit abgesprochen. Sie galten als emotional minderwertig und ihre Gefühle wurden, besonders in der Tierhaltung, nicht berücksichtigt. Zahlreiche Studien haben inzwischen das Gegenteil bewiesen und trotzdem kommen besonders Verhaltens- und Neurowissenschaftler immer mehr zu der Erkenntnis, dass Tiere sehr viel mehr an Gefühlen und Persönlichkeit haben, als man es aus menschlicher Sicht vermuten mag und wie es zu lange von Menschen ignoriert worden ist. 

„Unlikely friends“

„Natürlich ist es schwierig, über Tiere, Gefühle und Freundschaften zu sprechen. Wir können zwar nicht sagen, wie sie diese Gefühle wahrnehmen (da sie ja nicht mit uns sprechen können), aber aufgrund ihrer Körpersprache und der damit verbundenen Ausdrucksfähigkeit steht außer Zweifel, dass Tiere über das annährend gleiche Gefühlsrepertoire verfügen wie Menschen.“, sagt die Journalistin Jennifer Holland. Holland wuchs selbst mit verschiedenen Tieren auf und will auch heute nicht auf ihre Gesellschaft verzichten. Aus ihrer Liebe zu und Interesse an unseren Mitgeschöpfen entstand ein außergewöhnliches Buch über tierische Beziehungen. In „UNLIKELY FRIENDSHIPS“ erzählt und zeigt sie 47 bemerkenswerte Geschichten von Tieren, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen. Hund und Gepard, Hund und Elefant, Katze und Schwarzbär, Ziege und Nilpferd und viele bemerkenswerte andere Beziehungen sind in dem Buch zu finden. Es gibt noch viel mehr solche Beispiele von Freundschaft aller Geschöpfe untereinander in unserer Welt, sehr viel mehr. 

Gefühle, emotionale und soziale Kompetenz – Freundschaft – ist also nicht nur uns Menschen allein vorbehalten. Die Fähigkeit von Tieren die Grenzen ihrer Spezies zu überwinden, rührt uns Menschen bestimmt und nicht ohne Grund. Sie mag sogar für eine verborgende Sehnsucht stehen. Einer Sehnsucht mit der gesamten Natur, zu der wir ja nun einmal gehören, in einer größeren Harmonie zu leben. 

Soziale Selektion ist die bewusste Entscheidung sich für jemanden bestimmtes zu entscheiden und mit diesem Individuum eine Freundschaft einzugehen oder eben nicht. Was macht den anderen anders und besonders für einen selbst. Was unterscheidet ihn von anderen?

Diese Unterschiede zu verstehen und zu machen ist ein komplexer Vorgang. Dazu gehört Empathie, um Verhalten und Gefühle zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden, sowie ein soziales Verhalten gegenüber der Umwelt, um mit anderen kommunizieren zu können und Gefühle auszudrücken, also das Verständnis von Persönlichkeit. Ohne Verständnis für eigene Gefühle und die anderer Individuen ist Freundschaft nicht möglich. Die Gabe Freundschaften aufzubauen, zeigt: Tieren haben eine komplexe Eigen- und Fremdwahrnehmung und ganz eigenen Persönlichkeiten. Sind die Unterschiede zwischen Tieren und Menschen gar nicht so groß, wie es oft in der Vergangenheit betrachtet wurde? Menschen macht soziales Verhalten, Empathie und Verständnis von Persönlichkeit ja aus. Wenn Tiere ebenfalls diese Eigenschaften innehaben, sind sie uns doch sehr viel ähnlicher. Vielleicht hilft diese Erkenntnis die Wahrnehmung und den Umgang mit Tieren zu überdenken und ganz neu anzugehen. Mit Freunden schafft man alles.