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ÜBER DEN TELLERRAND

Familienessen – crazy, festlich und vegan …

Es war kurz vor Weihnachten, als das FaceTime-Symbol meines Handys alarmierend aufleuchtete und das Display eine gehörige Anzahl mir zurecht bekannter Gesichter offenbarte. Es war der gesamte Familie-Clan, der mich aus diversen Fenstern mit lächelnden Zahnleisten daran erinnerte, dass ich dieses Jahr mit der Ausrichtung unseres Weihnachtsessens an der Reihe wäre.

Mein Stresspegel stieg … Bevor ich überhaupt zustimmen konnte, wurde auch schon mit der kulinarischen Wunschliste von allen Seiten verbal auf mich eingeballert. Angefangen von meinem Bruder, einem aufstrebenden Hobby-Bodybuilder, der zurzeit strikte Diät hält und sich ausschließlich von Proteinspeisen und zerdrückten Obstsorten ernährt, geht es weiter zu meiner salataffinen Tochter mit angeborenem Tierschutz-Gen. Mein Chicken McNuggets vertilgender Sohn ist da Gott sei Dank mit seinem schmatzenden Wunsch bezüglich „was Herzhaftem mit ‘ner echt coolen Soße“ etwas flexibler. Allerdings mahnte er mich noch mal an die Haselnussallergie meines ersten Enkels zu denken.

Dagegen blieb die muslimische Frau meines Sohnes mit ihrem Hallal-Anliegen äußerst bescheiden. Nachdem sich dann auch noch mein rotbäckiger Onkel Wilfried zuschaltete und mich an seinen chronisch empfindlichen Magen erinnerte, sah ich mich gezwungen das Telefonat höflich zu vertagen, um eine Panikattacke zu vermeiden. Ich begab mich zur Verschnaufpause in den Garten und sinnierte über ein Patchwork-Menü für unsere Patchwork-Familie nach …

Mein Blick wanderte über den nun winterfest eingepackten Gemüsegarten. Gemüse?! Ein Erleuchtungsblitz traf mich aus dem sprichwörtlich heiteren Himmel. Was, wenn die Lösung hier vor mir liegt und in meinem ohnehin schon fast ausschließlich veganen Ernährungsstil zu finden ist? Immerhin bieten pflanzliche Genüsse für jeden Gusto und jede kulinarische Vorliebe gigantische Möglichkeiten: Sportler, Tierfreundin, Herzhaft-Fan, Hallal-Köstlerin und Nussallergiker kann ich so locker unter einen Hut oder besser an einen Tisch bringen. Und schon ratterte es in meinem kreativen Gehirn, welche raffinierten Speisen ich meinem bunt gemischten Familienclan kredenzen würde. Mein Gesicht hellte sich auf.

Der Weihnachtsabend nahte und die ganze Patchwork-Bande rückte erwartungsvoll an, nachdem ich ihnen ein wahrlich erlesenes Menü angekündigt hatte. In große Augen blickte ich, als sich meine Lieben dann mit sichtlichem Appetit an meinen Gerichten wie Verdure „Tonnato“, Maronen-Nussbraten mit Petersilienwurzel-Kartoffelpüree oder wahlweise Seitangulasch mit Spätzle und einer äußerst kreativen – und wie mir attestiert wurde – umwerfenden Interpretation einer Ingwermousse laben durften. Spätestens als ich nach dem Kaffee meine veganen Punsch-Pralinen servierte, denen sogar Onkel und Tochter nicht widerstehen konnten, vernahm ich bei der versammelten Runde ein kollektives Wohl- und Sättigungsgefühl.

Schwups, wurden unterm Weihnachtsbaum Rezepte ausgetauscht und Vorfreude formuliert: Wer weiß, vielleicht gibt’s ja an Ostern auch wieder einen veganen Tischzauber zum Niederknien in unserer Patchwork-Familien-Cuisine! Doch nun erst einmal „Prost, Mahlzeit, frohe Weihnachten“ … und dabei bitte immer auf einen frohen Wein achten!