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ÜBER DEN TELLERRAND

Mode für Tierfreunde

Vegane Mode – der tragbare Heiligenschein

Ich bin Veganer aus Leidenschaft, mit der Eigenschaft, dass meine Entscheidung bezüglich einer rein pflanzlichen Ernährung vor allem den Tieren weniger Leiden schafft. So dachte ich jedenfalls. Bis ich während eines Anfalls an textilkonformer Inventur und Selbstkritik bemerkte, dass ich mich trotz veganer Lebensweise weiterhin auf schicken Lederschuhen fortbewegte, ab und an die Fusel meines Designer-Wollpullovers entpillte, gedankenverloren meinen Seidenschal streichelte und nächtens unter eine Bettdecke kroch, die ihre Wärme nur durch eine satte Ladung wohliger Daunen verströmte. Ruhiges Gewissen auf Daunenkissen?

Ich sehe sie förmlich vor mir:

Die süßen fluffig-wolligen Schafe, die seidenspinnenden Raupen, die flauschigen Gänseküken und ihre entrüstet blickenden Mütter und Väter. Sie reihen sich ein in all die pelztragenden Tiere, für die ich in früheren Zeiten schon mal Petitionen unterschrieben habe. Aber ist ein so großer Unterschied zwischen Hermelin und Gänsefamilie?

Ein Dilemma zweifelsfrei, wurde ich doch in der Vergangenheit schon allein wegen meines einseitigen Essensstils belächelt. Jetzt dagegen, nach meinem geistigen Frühjahrsputz, biete ich eine noch breitere Angriffsfläche, indem ich mich für den Next Step, sozusagen das ultimative Outing, entschieden habe. – Ich bin nun auch noch eingefleischter Mode-Veganer.

nachhaltigkeit, fair-trading und gewiefte ressourcen-nutzung

Anfangs hatte ich ja noch diese schrecklichen Bilder Jesuslatschen-tragender Batikshirt-Ökos im Kopf, die sich mit seltsamen Frisuren gegenseitig den veganen Heiligenschein geraderücken und Hosianna singend an Salatblättern nagen.

Doch weit gefehlt, die vegane Industrie hat, nicht nur moralisch, sondern auch modisch längst die Überholspur erreicht.

Ob Baumwolle, Bambus, Hanf, Soja-Seide, Leinen oder Acryl ¬– die Fashionbranche gibt Gas und überflutet angesichts der hohen Nachfrage mittlerweile das vegane Universum mit mannigfaltigen Produkten. Alles ist da zu bekommen: von der verführerischen Unterwäsche, über hippe Streetwear, bis zu eleganter Business-Mode und vielen anderen pflanzenbasierten Alternativen. Alternativen, die nicht nur den Seelenfrieden, sondern auch gehörig Karmapunkte einbringen.

Früher musste man bezüglich seines begrenzten veganen Essens- oder Kleidungsstils vielleicht noch blöde Bemerkungen einstecken, heute dagegen gilt Nachhaltigkeit, Fair-Trade und gewiefte Ressourcen-Nutzung als vorbildliche Lebensweise für alle. Und ich finde es ist auch ein cooles modisches Statement.

Kurzum – wer immer noch keine eigenen Engelsflügel besitzt, kann ja zumindest schon mal damit anfangen, wenigstens seine kleinen Sünden zu beseitigen und das erste Paar Lederschuhe zu spenden. Schuhcreme soll auch gut als Politur für Heiligenscheine sein.